Reinickendorf Raccoons

Raccoons: Anlässlich der Verpflichtung des Yurij Kalinchuk

(... und, weil wir keine Zeit haben, aktuelle Pressemitteilungen zu verfassen) sei sie hiermit geboren, die neue Rubrik: DAMALS WAR'S.

13.06.2010
Liebe Grüße nach Kaliningrad

Ein Trauerspiel mit zwei bemitleidenswerten Figuren in den Hauptrollen beschäftigt momentan die Reinickendorf Raccoons und deren charismatische Führungsriege. General Manager Sly23 und Headcoch Rostislav Kondibolsky zeigten sich beim gestrigen TOHL Entry Draft schwer gezeichnet vom menschlichen Schicksal des Yurij Kalinchuk, seines Zeichens russischer Verteidiger in Diensten der Lichtenrade Cobras. Dieser hatte Tags zuvor über den “Südkurier” verlauten lassen, er hätte keinerlei Interesse an einen Wechsel in das russische Starensemble der Reinickendorf Raccoons (viewtopic.php?f=4&t=269&p=900&hilit=Kalinchuk#p900). Ungefragt, aber von den Machern der Raccoons nicht ungehört, fügte er hinzu, dass er keine hohe Meinung von seinen in Reinickendorf spielenden Landsleuten habe.

Was Herr Gottlieb Schmier, ehemaliger Ressortleiter Blumenpracht der Lichtenrader Kleingartenkoloniezeitschrift “Schreberhilfe” dem geneigten Leser seines Schmierblattes in seinem 14-Zeiler vorenthält, sind sämtliche Hintergründe und Zusammenhänge rund um das Personendreieck Kalinchuk-Sly-Kondibolsky. Kurzum: jegliche journalistische Sorgfaltspflicht wird an dieser Stelle in der südberliner Postille von Schmier ad absurdum geführt.

Die Biographien dieser drei Herrschaften weisen nämlich überaus interessante Schnittpunkte auf. Im Jahr 2000 hatte Rostislav Kondibolsky, damals zarte 53 Jahre alt und in der Funktion des U14-Nationaltrainers der Sbornaja, Yurij Kalinchuk unter seinen Fittichen. Kurz vor der Weltmeisterschaft in Schweden wurde der damals 13-jährige Kalinchuk von Kondibolsky aus dem Kader geschmissen. “Aus disziplinarischen Gründen”, hieß es damals, doch Insider wissen dagegen längst, dass wiederholter Alkoholmissbrauch der Auslöser dieser Maßnahme war. Mehrmals war Kalinchuk betrunken im Trainingslager in seiner Heimatstadt Kaliningrad aufgetaucht, mehrmals, so Augenzeugen, lag er hilf- und regungslos während der Trainingseinheiten mit dem Rücken auf dem Eis und wusste weder aus noch ein. Somit sind auch die Herkunft seines in Eishockeyfachkreisen bekannten Spitznamens “Millennium-Bug” sowie seine nicht besonders ausgeprägte Körpergröße von lediglich 173 Zentimetern keine großen Rätsel mehr. “Kalinchuk tat mir leid, aber er war für das Kollektiv nicht mehr zu tragen. Wir haben ihn dann einfach fallen lassen wie eine heiße Kartoffel”, so der Diplom-Sozialpädagoge Kondibolsky in einem Interview mit der Istwestija anno 2003.

Doch der zweifellos talentierte Kalinchuk kämpfte sich erst zurück ins Leben und dann in die Auswahlmannschaft Russlands. Das Verlassen seines Clubs Atomia Tschernobyl und die Unterschrift eines 4-Jahres-Vertrages bei den Lichtenrade Cobras im beschaulichen Süden Berlins hatte sich für ihn bezahlt gemacht. Fortan tauschte er unter dem Regiment von Chef-Schlangenbeschwörer Brausepaule Wodkapulle gegen Colaflasche, Sprit gegen Sprite und schien geläutert.

Im Alter von 21 Jahren hatte Kalinchuk seinen großen Lebenstraum verwirklicht, als er im Dress der russischen Eishockeynationalmannschaft im Nations Cup zu Einsatzzeiten kam. Sein Trainer dort: Rostislav Kondibolsky. Sein General Manager: Sly23.
Und es kam, wie es kommen musste. Erfahrene Haudegen wie Maksim Balgornykh und Nikolai Breshnev - vom Eishockeyleben gezeichnet, von den Frauen verlassen und vom Pech verfolgt - nahmen den Jungspund Kalinchuk an die zittrige Hand.

Die stolze Sbornaja fegte zu Beginn des Turniers alles, was sich in den Weg stellte, erbarmungslos vom Eis (“Team Russland startet durch
Schweden, Finnland und Polen nur Kasatschok-Tanzpartner”, so unsere Schlagzeile am 20.03.2008), doch mit dem sportlichen Höhenflug begann zeitgleich Kalinchuks neuerlicher Sinkflug. Dem Rausch auf dem Eis folgte der Rausch in der Kabine.

Balgornykh und Breshnev waren verantwortlich für die ausschweifenden Kabinenfeste. Alkohol und Frauen, mehr Zutaten brauchte es zunächst nicht. Dann allerdings heckten die beiden einen perfiden Plan aus und holten den jungen Kalinchuk mit ins Boot: sein guter Draht in die Cola-Zentrale wurde ihm zum Verhängnis. Wodka-Mischgetränke waren fortan der Renner in der russischen Kabine, die Pipeline aus Lichtenrade, von Kalinchuk organisiert, verebbte bis zum letzten russischen Spiel des Nations Cups nicht mehr. Die stolzen Russen torkelten nur noch über das Eis und verloren auch trotz des positiven Einflusses der Musterschüler Yarkin, Iwanow, Puschkin, Knochenbrechovsky, Vernashin, Akintschitz und Grischenko immer häufiger ihre Spiele. Zentrale Figur des Trauerspiels: Yurij Kalinchuk, der, nach eklatanten Fehlern, die gegen Norwegen (5 Minuten + Spieldauer wegen übelriechenden Erbrechens in der Schlussphase) und gegen die Schweiz (fuhr mindestens drei Eiszeiten ohne Schläger, den er auf der Bank vergessen hatte) jeweils zu Gegentoren führten, von Kondibolsky abermals in hohem Bogen aus die Nationalmannschaft geworfen wurde.

“Der Junge tat mir leid, aber er war für das Kollektiv nicht mehr zu tragen. Wir haben ihn dann einfach fallen lassen wie eine heiße Kartoffel”, so der Diplom-Sozialpädagoge Kondibolsky in einem Interview mit der Istwestija anno 2008.

Heuer verpflichteten die Reinickendorf Raccoons mit Iwanow und Akintschitz zwei weitere Russen, Nummer 10 und 11 im Kader der Nordberliner. Gerne würde Kalinchuk dazugehören, doch er weiß genau, dass er vor zwei Jahren seine letzte Chance bei Sly und Kondibolsky verspielt hat.

“Natürlich habe ich ein Faible für russische Spieler, das ist ja nicht von der Hand zu weisen. Aber ein russischer Pass reicht nicht aus, die Spieler müssen auch sportliche Fähigkeiten und charakterliche Eigenschaften mitbringen, die zu uns passen. Kalinchuk passt nicht zu uns. Es tut mir leid, dass er sein Leben nicht in den Griff bekommt, aber ich kann sein Bellen und Kläffen über den Südkurier verstehen. Er ist einfach frustriert. Was ich nicht verstehen kann, ist, dass der Herr Schmier dieses unreflektiert an seine Leserschaft weitergibt. Für mich ist er der größte Verlierer dieses Trauerspiels”, so Sly23.

Aber, ein großer Mann vergisst auch in solchen Momenten die schwachen nicht und spricht weise Schlussworte: “Ich schicke ganz herzliche Grüße nach Kaliningrad. Ich wünsche dem Yurij alles Gute, dass er wieder zu sich findet, oder, sollte das gerade der Fall sein, dass er standhaft bleibt. Er ist ein großer Sportler. Und gewissermaßen auch ein kleiner bedauerlicher Wicht. Lichtenrade tut ihm gut, wir werden ihn nicht entwurzeln!”.

P. de Majorqua
- RR aktuell-



Woher nun nach neun Jahren der Sinneswandel kommt, entzieht sich aktuell unserer Kenntnis. Wir arbeiten auf Hochtouren daran, Kalinchuk, Sly und Kondibolsky 2019 zu einem gemeinsamen Interview an einen Tisch zu bekommen. Unter Umständen wird der "Südkurier" wieder einmal schneller und oberflächlicher arbeiten. Die Redaktion.

Samstag, den 13.Juli 2019 - 16:20 Uhr - Reinickendorf Raccoons

Zur Diskussion